Interview mit Hartwig Löger

„Berater, für die nur der Abschluss zählt und nicht die Qualität der Beratung, werden es in Zukunft schwer haben.“

Für Hartwig Löger, CEO von UNIQA Österreich, setzt Kundennähe individuellen Service voraus. Beratung und Verkauf werden in Zukunft zwar zunehmend online erfolgen, die Qualität der Betreuung muss dadurch aber keineswegs leiden. Ein wichtiges Tool dafür ist die neue elektronische Beraterunterlage.

UNIQA Österreich wirbt damit, an sehr vielen Standorten für die Kunden vor Ort verfügbar zu sein. Was hat das für Vorteile, und steht es nicht in diametralem Gegensatz zum Onlinevertrieb?

Nein, unser Grundprinzip ist ein integriertes Modell. Egal, ob der Kunde im Internet oder beim Berater vor Ort ein Produkt kauft – er kann immer auf persönliche Beratung zählen. Genau dieser direkte Kontakt und die sehr individuelle Beratung machen unseren Vertrieb aus. Wir haben insgesamt neun Landesdirektionen in Österreich und über 400 regionale Standorte als Versicherer vor Ort. Unser Netzwerk an Beratern setzt sich aus 3.000 Exklusivverkäufern und mehr als 4.000 unabhängigen Vermittlern zusammen. Allerdings unterliegt das Kundenverhalten im Bereich von Information und Kommunikation sowie beim Kauf von Produkten und Services einem stetigen Wandel – und das fordert auch von uns entsprechende Anpassungen.

Hartwig Löger, CEO von UNIQA Österreich, (Foto)

Hartwig Löger, 51,

arbeitet seit 2011 als Vorstandsvorsitzender von UNIQA Österreich. Er ist zudem für den Vertrieb verantwortlich. Zuvor war er Leiter des Exklusivvertriebs der UNIQA Group und Geschäftsführer der UNIQA International Versicherungs-Holding GmbH. Er absolvierte den Lehrgang für Internationales Management an der Universität St. Gallen. Seine Karriere startete er klassisch im Vertrieb bei AON Jauch & Hübener und sammelte anschließend Erfahrung bei der Allianz, der Grazer Wechselseitigen und der Donau-Versicherung.

„Der direkte Kontakt und die sehr individuelle Beratung machen unseren Vertrieb aus.“

Worauf muss sich der Vertrieb einstellen, wenn diese Hausaufgaben erledigt sind?

Die Erfolgsmessung wird sich verändern. Heute steht durch die unmittelbar mit dem Verkaufserfolg verbundene Provision der Abschluss im Vordergrund. Künftig wird eher die Qualität der Beratung das Kriterium für die Honorierung der Berater sein. Gerade die neuen Vertriebsrichtlinien unter dem Namen IDD werden eine Neuausrichtung des Vertriebs in diese Richtung bringen.

Wie kann die Qualität einer Beratung festgestellt werden, wenn nicht über den Abschluss?

Es wird ein System entstehen, in dem der Kunde die Qualität der Beratung und seine Zufriedenheit damit bewertet.

Wird es dann weniger Vertriebsmitarbeiter geben?

Das wird letztlich der Kunde in seinem Verhalten entscheiden. Aber klar, wenn Kunden aufgrund der Digitalisierung gewisse Serviceleistungen wie etwa eine Adressenänderung selbst übernehmen oder Produkte zu ihren Verträgen online kaufen, wird das Einfluss auf die Anzahl der Verkäufer haben. Umso mehr wird die Konzentration auf die Qualität der Beratung gefordert sein.

Derzeit werden bei UNIQA Österreich nur etwa 2 Prozent aller Versicherungsverträge online abgeschlossen. Warum ist dieser Wert noch immer so niedrig?

Das liegt daran, dass die Kundennachfrage noch zurückhaltend und unser Onlineangebot noch nicht vollkommen ausgereift ist. Beratung wird aber weiterhin sehr oft persönlich erfolgen. Natürlich spüren wir, dass sich sehr viele Kunden vorab online informieren, und sicherlich wird sich der Trend, Produkte auch online abzuschließen, in Zukunft noch verstärken.

Wie viele Verträge wurden 2016 online abgeschlossen, und welche Neuprämie konnten Sie damit erzielen?

Unter www.uniqa.at können unsere Kunden bereits die von 15 Produkten online berechnen und davon 13 auch online abschließen. Am besten verkauft sich die Reiseversicherung. Hier erzielten wir 2016 einen Anstieg im Verkauf von 81 Prozent: Während 2015 erst 7.500 Reiseversicherungspolizzen online abgeschlossen wurden, waren es im vergangenen Jahr bereits über 13.600. Mit dem Krankenversicherungs-Bedarfsrechner haben wir seit dem Start im ersten Halbjahr 2016 bereits knapp 300.000 Euro an Neuprämien umgesetzt.

Vertrieb und Service – Illustration (Screen)Vertrieb und Service – Illustration (Screen)

Was ist die elektronische Beraterunterlage?

Vom Bedarf bis zur Polizze

Die elektronische Beraterunterlage wird im ersten Quartal 2017 im Außendienst getestet und anschließend im gesamten Vertrieb zum Einsatz kommen. Neu ist, dass mithilfe dieses innovativen Tools der Kundenbedarf auch elektronisch abgefragt und digital erfasst werden kann. Die neue Konsumentenschutzrichtlinie IDD, die 2018 in Kraft tritt, fordert vor dem Produktverkauf eine sehr individuelle und genaue Bedarfserhebung in transparenter und nachvollziehbarer Form. Genau diesen Puzzlestein bildet die neue elektronische Beraterunterlage und macht die Datenerfassung und Polizzierung noch moderner und effizienter. Zudem ermöglicht sie auch gezieltes Customer-Relationship-Management (CRM), also die integrierte Datenimplementierung und -nutzung.

Was erwarten Sie sich vom neuen IT-System, das gerade implementiert wird?

Die UNIQA Insurance Platform (UIP) ist eine längst fällige Erneuerung unserer gesamten IT. Die neue Plattform wird uns dabei unterstützen, noch effizienter zu werden und unsere Prozesse weiter zu optimieren. Ich erwarte, dass vor allem unsere Kunden davon profitieren, weil wir dank der neuen IT künftig Produktlösungen anbieten können, die besser und rascher abzuwickeln sind.

Wo sehen Sie bei der Produktpalette Chancen für Versicherungen, sich in zusätzlichen Bereichen zu etablieren?

In allen Nischen. Selbst wenn die klassische Lebensversicherung aktuell extrem schwierig darzustellen ist, bleibt das Produkt für Kunden sehr wichtig. Denn das öffentliche Basissystem der Pensionsvorsorge stößt zunehmend an seine Grenzen. Es wird an uns liegen, trotz der Rahmenbedingungen Produkte anzubieten, die für den Kunden relevant und interessant sind. Im Kfz-Bereich erkennen wir, dass sich ein Trend vom Autobesitzer zum Nutzer abzeichnet. Vor allem in Ballungszentren wie Wien gibt es eine Verschiebung in Richtung Carsharing-Modelle. Ich denke, dass sich mit den neuen Gegebenheiten neue Chancen in gewissen Nischensegmenten oder als Serviceanbieter ergeben. In unserem Kerngebiet, der Gesundheitsversicherung, sind wir bereits gut aufgestellt, aber gerade in diesem Bereich sehe ich eine große Nachfrage.

UNIQA Marktanteile in Österreich 2016
Marktanteile 2016 von UNIQA in Österreich (Balkendiagramm)Marktanteile 2016 von UNIQA in Österreich (Balkendiagramm)

Quelle: Marktprognosedaten Februar 2017 des österreichischen Versicherungsverbands (VVO)

Prämien
Verrechnete Gesamtprämien. Alle im Geschäftsjahr vorgeschriebenen Prämien aus Versicherungsverträgen des selbst abgeschlossenen und des in Rückdeckung übernommenen Geschäfts.